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Kapitel 1

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Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, wie groß unsere Welt ist? Nein? Kein Wunder, sie ist nämlich gaaaanz groß. Selbst wenn ihr eure Arme ganz weit auseinander streckt und euch vielleicht noch auf die Zehenspitzen stellt, könnt ihr unsere Welt nicht umfassen. Und auch die Erwachsenen können das nicht! So groß ist unsere Welt.

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Und in dieser großen Welt lebt der kleine Igel Max. Jetzt stellt euch mal vor, wie klein so ein kleiner Igel ist. In dieser großen Welt. Der muss bestimmt Angst haben. Hat er aber nicht. Er hat ja noch seine Mama, seinen Papa und noch zwei größere Geschwister, einen Bruder und eine Schwester.

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Und wenn er doch mal ein ganz kleines bisschen Angst hat, vielleicht wenn er nachts im Dunkeln nicht gleich einschlafen kann, dann er macht sich ganz klein, kugelt sich zusammen. Den Trick hat er letzte Woche von seinem großen Bruder gelernt! Und darauf ist er ganz stolz und kann dann prima einschlafen.

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Eines Morgens muss unser kleiner Held niesen. Dreimal hintereinander! Und das klingt bei kleinen Igeln etwa wie „tsih! tsih! tsih!“ Ein Sonnenstrahl hat ihn in der Nase gekitzelt und ihn geweckt. Das ist ihm ja noch nie passiert. Weil Igel immer abends unterwegs sind, dürfen sie morgens länger schlafen. Er schaut sich um: seine Mama, sein Papa und seine Geschwister schlafen noch. Naja, das macht ja nichts, denkt sich der kleine Igel, ich will mir nur einmal ein kleines bisschen die Sonne ansehen gehen und streckt seine Nasenspitze aus dem Igelnest heraus.

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Aufgeregt miaut ein Kätzchen und läuft zu ihrer Mutter: „Mama, Mama, Mama! Da hinten in der Gartenecke guckt etwas aus der Strauch! Und es macht immer tsih! tsih! tsih!“ Die Katzenmama geht mit ihrer kleinen Tochter und sieht neben der Stubsnase auch zwei zugekniffene Igeläuglein zwischen den Ästen durchgucken. „tsih! tsih! tsih!“ hören die beiden Katzen. Die Katzenmama lächelt und hilft dem kleinen Igel aus seinem Nest „Na komm her! Solltest du nicht eigentlich schlafen?“

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Der kleine Igel blinzelt, immer noch durch die Sonne geblendet, mit seinen Äuglein und erschrickt sich, als er die große und die kleine Katze sieht. Er bekommt große Angst und ohne lange nachzudenken, kugelt er sich wieder zusammen. Schließlich hat er hier keine Bettdecke, die er über seine Igelohren ziehen kann. So zusammengekugelt hört er sein kleines Herz ganz schnell schlagen. „Pub, pub, pub, pub“ pocht das Herz ganz schnell. Und außer Atem ist der kleine Igel: erst aus dem Bau herauskrabbeln und dann so ein Schreck! Er schnappt nach Luft. Aber er fühlt sich sicher. Es ist dunkel wie in seinem Bettchen.

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Währenddessen schleicht das junge Kätzchen um dieses merkwürdige Tier herum. Neugierig ist das kleine Katzenmädchen. Es ist ein Igel, hat sie von ihrer Mama erfahren. Und ihre Mama weiß alles! Aber wieso kann sich der Igel so zusammenrollen? Die Katzenmama ist aber schon wieder auf Mäusejagd. Die kann sie also nicht fragen. Lustig ist es ja, denkt das Kätzchen, ich darf auch immer bei dem kleinen Philip, so heißt das kleine Menschenkind, mit Wollkugeln spielen. Ob ich auch mit dem kleinen Igel spielen kann? Vorsichtig hebt sie ihre Pfote und will die Kugel den Hügel hinunter rollen. „Miau-au-au-au!“ schreit sie und macht sie einen Satz und landet unter der Gartenhecke. Die Pforte schmerzt und sie leckt sie vorsichtig sauber. Der Igel hat ja richtige Stacheln! Und die tun weh!

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Der kleine Igel hört niemanden mehr. Schon seit ein paar Minuten. Auch sein Herz schlägt nicht mehr so wild. „Ob ich mal einen winzigen Blick wage?“ sagt der kleine Igel halblaut zu sich selbst. Langsam, ganz ganz vorsichtig lugt er unter seinem stacheligen Igelfell hervor. Der helle Tag blendet ihn zuerst, aber bald sieht er wieder richtig. Dieses große Tier ist weg, stellt der kleine Igel fest. Aber in der Gartenhecke sitzt noch das kleinere der beiden Tiere. Das sieht aus, als hätte es auch Angst. Wie ihr seht, entgeht dem kleinen Igel nichts so schnell!

Der Igel wagt sich immer weiter unter seinen Stacheln hervor. Und da der kleine Igel schon immer neugierig war, ruft er ganz leise und vorsichtig dem kleinen Tier zu: „He, du! Wer bist denn du?“

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Ebenso vorsichtig wagt sich die kleine Katze aus ihrem Versteck: „Ich bin das Katzenmädchen Pia! Und wer bist du?“

„Ich bin der kleine Igel Max. Richtig heiße ich ja Maximilian, aber alle rufen immer nur Max.“ antwortet der kleine Igel. „Was ist eine Katze?“ fragt er weiter, weil er ja schon immer neugierig war und bisher kennt er nur Schnecken, Käfer und Regenwürmer.

„Wir Katzen werden bei den Menschen großgezogen. Ich wohne bei Philip, einem Menschenjungen. Wir können spielen, uns streicheln lassen, hinter dem Ofen liegen...“ Der Stolz ist dem Katzenmädchen anzumerken.

„Was ist ein Ofen?“ will der kleine Max wissen.

„Ein Ofen heizt im Winter die Wohnung. Die Menschen stecken dort Holz und Kohle hinein, damit es warm wird.“

Der kleine Igel schüttelt unmerklich den Kopf. Komisch, denkt er, wenn es kalt wird, geht man doch schlafen, wozu braucht man einen Ofen. Denn Igel halten Winterschlaf.

Dann sagt er aber: „Wollen wir Freunde sein?“

„Oh fein!“ ruft Pia, das Katzenmädchen aus. „Lass uns um die Wette laufen!“

„Ach, das ist doch nicht lustig! Lass uns lieber alte Äpfel auf dem Rücken sammeln!“ Ihr müsst nämlich wissen, dass Igel so kurze Beine haben, dass es bei ihnen sehr gemütlich zugeht. Viel lieber spießen sie alles Mögliche mit ihren Stacheln auf. Von fern hört man die Katzenmama rufen.

„Ich muss zu meiner Mama,“ sagt Pia, „aber wir können uns nachher wiedertreffen.“

„Das wäre schön! Bis dann!“ verabschiedet sich der kleine Igel von seiner neuen Freundin.

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Mit seinen kurzen Beinchen macht er sich auf, um den Garten weiter zu erforschen. Er sieht im Gras etwas Buntes liegen. Darauf steuert er zu. Es ist mühsam, denn das Gras ist hoch. Er hat noch nicht einmal den halben Weg geschafft, da hört er, wie die Menschenkinder lärmend aus dem Haus kommen und sich genau das Bunte aus dem Gras nehmen. Es ist ein Ball. Eines von den Kindern muss Philip sein. Der kleine Max würde gern mitspielen und nimmt all seinen Mut zusammen, um die Kinder danach zu fragen. Er ruft die Kinder. Die hören ihn aber nicht. Er ruft so laut er kann, aber die Kinder können ihn gar nicht verstehen. Weil die Tiere untereinander eine eigene Sprache haben.

Plötzlich wird der kleine Igel mit einem großen Peng! aus seinen Gedanken gerissen. Denn knapp neben ihm kommt der bunte Ball auf und springt wieder hoch. So ein Ball ist größer als ein kleiner Igel. Und hätte ihn der Ball getroffen, hätte das sehr weh getan. Ängstlich verfolgt Max mit seinen Augen den Ball und hofft, dass er nicht auf ihn drauf fällt. Während er dem Ball hinterher schaut, passiert ihm fast das nächste Unglück. Die Kinder rufen einem Jungen nach: „Fang ihn, Philip!“ und Philip rennt dem Ball nach und tritt fast unseren kleinen Max. Das wäre schlimm gewesen, weil der Schuh von Philip auch größer als der kleine Igel ist. In dem hohen Gras kann er Max gar nicht sehen. Es ist also sehr gefährlich!

Oh, dem kleinen Igel Max wird ganz schwindelig. Auf so viele Sachen muss man hier achten. Und keine Mama und kein Papa da. Vor lauter Angst vergisst er sogar, sich zusammen zu kugeln. Ich muss weg hier, denkt sich Max und beginnt mit seinen kurzen Beinen zu laufen. Er müht sich, ganz schnell an die Gartenhecke zu kommen. Uff, geschafft! schnaubt der kleine Max, als er die Hecke erreicht. Er ist müde. Und da es warm ist, legt er sich unter die Hecke und schläft ein.

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Max wacht auf. Er weiß gar nicht, wie lange er geschlafen hatte. Die Sonne ist inzwischen hinter dem Haus verschwunden. Und im Schatten ist es kühl geworden. Der kleine Igel schaut sich um und entdeckt in dem Zaun, der direkt an der Hecke steht, ein kleines Loch. Das Loch hat er vorhin auf seiner Flucht vor dem Ball und vor Philips Schuhe gar nicht bemerkt. Es ist eigentlich groß genug, um hindurch zu klettern. Aber Max war noch nie außerhalb des Gartenzaunes. Und seine Mama würde bestimmt schimpfen. Aber er hat etwas Glänzendes entdeckt. So etwas hat er noch nie gesehen. Er zwängt sich durch den Zaun. Er will sich das unbedingt näher betrachten.

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Als er näher kommt, erkennt er immer besser, dass es nur eine leere Büchse ist. Wer weiß, wer die da hingeworfen hat. Aber sie riecht lecker, schnuppert der kleine Max. Vielleicht ist ja noch ein kleiner Rest drin! Er will sich gerade in die Büchse zwängen, da schneidet er sich am Rand der Büchse in die Pfote. „Au au au au!“ Die Tränen schießen ihm in die Augen. Es blutet sogar ein bisschen. Es tut weh! Er dreht sich um und humpelt nach Hause. Der Appetit ist ihm vergangen. Aber wo war noch mal das Loch im Gartenzaun? Er kann es nicht entdecken. Ganz verzweifelt sucht er weiter. Wie kommt er denn wieder in den Garten? Immer wieder läuft er humpelnd den Zaun entlang. Nichts! Kein Loch und keine Mama!

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„Mama! Papa! Mama! Papa!“ Kläglich jammert der kleine Max. Eine dicke Träne rollt ihm über das Gesicht. Dabei kommt das nicht von der schmerzenden Pfote. Die hat schon wieder aufgehört zu bluten. Nein, er fürchtet sich nun doch, so ganz ohne Mama, ohne Papa. Auch seine Geschwister fehlen ihm. Obwohl sie ihn manchmal ärgern. Aber das ist jetzt alles nicht mehr wichtig, wenn sie doch nur da wären! „Mama! Papa!“ wiederholt er sein Rufen, umsonst. Traurig setzt er sich auf einen Stein und weint.

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Nuff, nuff, hört er von weitem und dreht sich um. Nein er hat sich bestimmt getäuscht, denkt der kleine Max. ‚Nuff, nuff!‘ ruft immer seine Mama. Aber er kann niemanden erkennen. Da! Jetzt war es ganz deutlich: „Nuff, nuff.“ Ja, es muss seine Mama sein. Ganz aufgeregt wird der kleine Igel. Sein Herzchen macht wieder ganz schnell: „Pub, pub, pub, pub“ und da sieht er auch schon seine Mama um die Ecke biegen. Begeistert winkt er seiner Mama zu. Er rutscht vom Stein runter und will zu ihr laufen. „Aua, das geht noch nicht richtig“ sagt er zu sich selbst. Die Pfote schmerzt. Aber da hat ihn auch schon seine Mama eingeholt.

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„Da bist du ja, du Ausreißer! Wir haben uns Sorgen gemacht! Warum bist du einfach weggelaufen?“ schimpft die Igelmama. Aber wenn man genau hinhört, merkt man, dass sie gar nicht richtig schimpft. Schließlich war sie ja auch froh, ihren kleinen Max wieder zu haben. Nur der kleine Igel dagegen macht sich noch viel kleiner. Er schämt sich.

„Das will ich nie wieder machen“ verspricht er und hält traurig die verletzte Pfote seiner Mama hin. Die runzelt die ein bisschen die Stirn und leckt sie sauber. Dann nimmt sie ein Taschentuch und verbindet die Pfote vom Max. Dann tröstet sie ihn, nimmt ihn auf ihren Rücken und stapft los. Ihr müsst wissen, dass sich Igel untereinander mit ihren Stacheln nicht weh tun können. Es ist für Max eine lustige Reise auf dem Rücken seiner Mama. Als er noch ganz klein war, durfte er das immer so machen. Und heute ist es etwas ganz besonderes. Er fühlt sich wie ein kleiner König, der von einer langen Reise heimkehrt. Und Max lächelt wieder, als er den Strauch sah, unter dem seine ganze Familie wohnt und sein Bettchen stand.

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Der Igelpapa schnauft zufrieden, als er seinen jüngsten Sohn auf dem Rücken seiner Igelfrau sieht. Es gibt auch schon Abendbrot. Der kleine Igel hat einen Bärenhunger. Na, zumindest hat er Hunger, wie ein kleiner Bär. Beim Abendessen erzählt der kleine Max von seinen ganzen Erlebnissen. Die Mama muss ihn immer wieder stupsen, er solle nicht mit vollem Munde sprechen. Aber dann ist der kleine Max richtig müde geworden. Das ist ja auch kein Wunder, bei den ganzen Abenteuern, die er heut erlebt hatte. So kuschelt er sich in sein Bett und zieht die Decke über seine Igelohren. Kurz vor dem Einschlafen denkt er an Pia, seiner neuen Katzenfreundin. Und ihm fällt ein, dass sie ja eigentlich zusammen Spielen wollten. Naja, dachte sich der kleine Igel im Einschlafen, das können wir auch morgen noch machen. Pia wird Augen machen, was ich alles erlebt habe... und schon ist er eingeschlafen.

 

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Kapitel 2

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Der Rabe Rudi Rabenschwarz kommt krächzend angeflattert und setzt sich auf einen Ast mitten im Apfelbaum. Der Apfelbaum steht genau vor der Höhle, in der Max und seine ganze Igelfamilie zu Hause ist. Aber das weiß Rudi Rabenschwarz nicht, da er das erste Mal in der Stadt ist. Er ist auf der Suche nach einer netten Krähe. Die will er heiraten. Jetzt aber muss er erst einmal Pause machen, der Flug von den Feldern in die Stadt ist anstrengend. Der Rabe lässt sich sanft vom Wind hin und her schaukeln. Er fühlt sich immer so wohl, wenn der Wind ihm durch die Federn fährt und ihn krault. Dabei entdeckt er plötzlich einen kleinen Igel, der irgend etwas in der Wiese beobachtet. Klar ist es unser kleiner Max! Aber er ist heute so vertieft, dass er Rudi Rabenschwarz gar nicht kommen hörte. Viel interessanter ist, wie sich langsam das Gänseblümchen öffnet! Rudi hält neugierig seinen Kopf schräg. Er glaubt dann, besser sehen zu können. Der kleine Igel ist mucksmäuschen still und rührt sich nicht.

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„Was machst du da?“ krächzt Rudi und erschrocken schaut Max nach oben. Er tapst ein paar Schritte zurück, um den Baum besser sehen zu können. Aber er kann nicht entdecken, wer ihn da gerufen hat.

„He, du da!“ krächzt es wieder aus dem Apfelbaum. Der Stimme nach müsste es ein Rabe sein, denkt sich Max. Und da, ja da hat er ihn auch auf dem Ast entdeckt. Es sieht lustig aus, wie der Wind dem Raben die Federn zerzaust.

„Hallo, bist du ein echter Rabe?“ ruft Max hinauf.

„Rabenschwarz, Rudi Rabenschwarz,“ stellt sich der Rabe vor und verneigt sich. Dabei hält er den Kopf wieder schräg. Er meint, das sehe vornehmer aus. „Ja, ich bin ein Rabe. Und ich suche eine nette Krähe. Hast du hier irgendwo eine gesehen?

„Hm, vorletzte Woche saß eine dort drüben auf dem Gartenzaun!“

„Ärgerlich, da ist sie ja schon über alle sieben Berge!“

„Sieben Berge?“ fragt Max aufgeregt. Denn unser kleiner Igel habt noch nie einen richtigen Berg gesehen. Und da soll es gleich sieben geben?

„Das sagt man so. Du kannst auch sieben Felder sagen!“

Nun wird Max ganz aufgeregt. Er kennt nämlich keine Felder, nur seinen Garten, die Wiese und ein paar Gartenbeete. „Sind solche Felder groß? Was kann man denn mit denen anstellen? Wo liegen denn die Felder?“

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Der Rabe setzt sich noch einmal richtig wichtig auf den Ast und schwärmt dem kleinen Igel vor: „Die Felder sind mein Zuhause, praktisch. Ich wohne am Rand der Felder. Vor der Stadt gibt es viele Felder. Und die sind richtig groß! Auf denen wächst jedes Jahr etwas anderes. Mal Weizen, dann mal Mais oder Kartoffeln“ Andächtig lauscht Max dem Raben.

„Ja und über die großen Felder“ setzt der Rabe fort „fahren die Menschen mit großen Maschinen. Damit säen oder ernten sie. Das ist immer eine schöne Zeit, da bekomme ich nämlich gutes Futter, ohne mich erst großartig anstrengen zu müssen.“

Max bleibt der Mund offen stehen. So viel hat er ja von der großen Welt noch nie gehört. Und erinnert Ihr Euch noch, wie groß unsere Welt ist? Und was Rudi Rabenschwarz alles weiß! Und er kommt soweit herum und sieht so viel! Er ist bestimmt ganz klug!

„Kennst du denn die Pflanzen auf den Feldern?“

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Fragend hält Rudi seinen Kopf schräg. „Hä? Wie meinst du denn das? Ich sagte doch schon, dass mal Weizen, mal Mais oder auch mal Kartoffeln wachsen.“

„Besser kennst du die Pflanzen nicht? Weißt du, ich habe mich schon bald dem Apfelbaum, der Hecke und den Rosen vorgestellt. Und manchmal spiele ich mit den Gänseblümchen oder fange die Pusteblumen. Obwohl die immer viel zu schnell sind. Aber es macht Spaß und so haben wir uns kennen gelernt. Wir sind schon richtige Freunde geworden!“

Ungläubig schüttelt Rudi den Kopf: „Papperlapapp! Soviel Zeit habe ich nicht.“ Der Rabe wundert sich über die Gedanken des Gesellen mit der putzigen Nase und der runden, kleinen Knopfaugen. „Ich muss doch weiter fliegen. Ich kann mich nicht mit jeder Pflanze aufhalten und womöglich mit ihnen spielen. Ich suche doch eine nette Krähe, die ich heiraten will!“ Der Verwunderung ist wieder dem Stolz gewichen. Und so will sich der Rabe wieder auf seinen Weg machen. Zweimal mit den Flügeln geflattert, setzt er sich doch noch einmal auf den Ast. „Ach, ja, was hast du vorhin so interessiert beobachtet?“ will er noch wissen.

„Na hier! Das Aufblühen des Gänseblümchens!“ meint Max und schaut wieder zu dem Gänseblümchen. Da muss er feststellen, dass es nun inzwischen leider ganz aufgeblüht ist und er es nicht beobachtet hat. Ein „Lebwohl“ krächzend, erhebt sich kopfschüttelnd der Rabe und flattert über das Haus. Auch Max schüttelt den Kopf und tapst weiter auf der Suche nach dem nächsten Gänseblümchen, dem er beim Aufblühen zusehen kann.

 

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Kapitel 3

 

Heimlich und ganz still fällt ein buntes Blatt zu Boden. Eine Windböe hat es vom Baum gepflückt. Es ist Herbst geworden. Der kleine Max sieht es und ganz aufgeregt stapft er in das Igelnest um seinem Papa davon zu erzählen. Der nickt nur, nimmt seinen Apfelkorb und fragt: „Na Max, willst du mit Äpfel sammeln gehen?“

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„Au fein,“ ruft unser stacheliger Geselle und zieht sich seine Gummistiefel an. Die sind noch ein bisschen groß und beim Gehen sieht das ab und zu etwas wackelig aus. Auch der Vater zieht seine Gummistiefel an. Sie sind alt. Und ein bisschen sieht man es ihnen auch an. So zieht Max mit seinem Vater hinaus in den herbstlichen Garten.

Der Wind hat spürbar zugenommen. „Huiiii!“ pfeift er durch die Hecke und immer mehr bunte Blätter fallen von den Bäumen. Max stemmt sich kräftig gegen den Wind. Schnell sind sie am Apfelbaum angekommen, in dem der kleine Max im Sommer Rudi Rabenschwarz gesehen hat. Was liegen da schon für Äpfel herum! Max staunt! Große, kleine, einige sind noch grün, andere haben richtig rote Pausbacken. Und gleich beginnt er, wie sein Vater, die Äpfel aufzuspießen. Sie wollen gar nicht in den Korb fallen, sondern bleiben an den Stacheln hängen. Der Igelpapa hilft und schnell können sie den Korb füllen. Pia, das Katzenmädchen, kommt neugierig aus dem Haus. „Darf ich mitspielen?“

„Wir spielen nicht,“ tuschelt der kleine Max stolz, „wir arbeiten!“

„Ich helfe euch!“ und gleich versucht Pia, ebenso wie die Igel einen Apfel aufzuspießen. Es klappt aber nicht, weil sie ja gar keine Stacheln hat. Der Igelpapa schmunzelt: „Du kannst sie auch zum Korb rollen!“ Ja das klappt gut, es ist fast, als würde man mit einem Wollknäuel spielen. Zwischendurch darf Max und Pia immer mal wieder ein kleines Stückchen Apfel naschen. „Hm!“ das ist so lecker!

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Den letzten Apfel behält Max gleich auf seinem Rücken und so machen sich er und sein Vater wieder auf den Heimweg. Max‘ Papa trägt den schweren Korb ganz alleine auf seinem Rücken. Pia begleitet die beiden.

„Huiiii!“ pfeift der Wind wieder durch die Hecke und wieder pustet er bunte Blätter vor sich her. „Sag mal, Max“ fragt Pia vorsichtig, „wollen wir, wenn der erste Schnee gefallen ist, einen Schneemann bauen?“

„Was ist denn Schnee?“ fragt Max. Weil Igel Winterschlaf halten, hat er noch nie Schnee gesehen. „Kann man das Schnee essen?“

„Den Schnee, es heißt ‚den Schnee essen‘. Nein du kannst ihn nicht essen. Meine Mama erzählte, dass es eigentlich Wasser ist.“

„Du schwindelst ja, Wasser schneit nicht, Wasser regnet!“ entrüstet sich Max. Ein bisschen ist er beleidigt. ‚Für wie dumm hält Pia mich eigentlich? Ich bin doch kein kleines Igelbaby mehr! So ein Quatsch, das Wasser im Winter Schnee heißt!‘ denkt er sich.

Der Igelpapa hat die ganze Zeit still den beiden zugehört. „Nun ja,“ unterbricht er mit seiner tiefen, ruhigen Igelstimme Max‘ Gedanken, „es ist in gewisser Weise beides richtig. Wenn es im Sommer regnet, regnet es Wassertropfen. Wenn es aber kälter wird, dann werden aus den Wassertropfen Schneeflocken, die zu Boden fallen. Der macht dann alles weiß und daraus kann man einen Schneemann bauen.“

 

Max nickt zufrieden und im Stillen schämt er sich ein bisschen über seine Gedanken. Auch Pia nickt zufrieden. Und so stapfen sie weiter durch den Garten.

„Wie sieht aber nun ein Schneemann aus?“ Max lässt manchmal einfach nicht locker. Pia hebt den Kopf, jetzt kann sie wieder erzählen, was sie schon gelernt hat. Und sie erzählt immer mehr und mehr, wie so ein Schneemann aussieht. Und Max hört mit großen Knopfaugen zu. Inzwischen laufen sie weiter durch den Garten. Pia geht langsam: gegen die kurzen Igelbeinchen kann sie jeden Wettlauf gewinnen.

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Kurz vor dem Igelbau, als die drei gerade hinter der Biegung des Gartenweges sind, sieht Max am Himmel zwei schwarze Punkte laut krächzend angeflattert kommen. Er erkennt bald Rudi Rabenschwarz und andere Raben. Nein, es war eine Rabendame. Und ganz offensichtlich gehörten die beiden zusammen. So hat Rudi Rabenschwarz doch eine nette Krähe gefunden und beide haben gar kein Auge für den kleinen Igel Max, der mit dem Apfel auf dem Rücken wie wild hinter den beiden her winkt. ‚Schade eigentlich, ich würde auch gern mal die Felder und Wälder sehen...:‘ träumt er vor sich hin und stolpert prompt über seine zu großen Gummistiefel.

 

(c) Sebastian Grund

Max
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