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BITTE RECHT FREUNDLICH...

 

dem geneigten Computer-User

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„Bitte recht freundlich...“ diese liebenswürdige Bitte könnte so oft grundlegende Grundlage unseres Miteinanders sein. Im Umgang mit den lieben Mitmenschen gelingt mir dies auch immer wieder. Nur mit diversen Geräten versagt dieser Wunsch des öfteren seine Bestimmung. Vor allem wenn sich erwähnte Geräte zwar an die Gebrauchsanweisung, jedoch nicht nach meiner Vorstallung richten. Im speziellen ist hier mein einst geliebter Computer genannt.

 

Dies beginnt bereits, wenn sich ein Mensch unserer Zeit ein solches Gerät kaufen möchte. Geschlagen von Sonderangeboten, Schnäppchen, und gut gemeinten Ratschlägen, verliert der geneigte, doch durchschnittliche Anwender sehr schnell den Überblick. Wieso kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alle Händler noch mehr verkaufen möchten, als ich benötige. Hin und wieder möchte ich nur ein wenig Briefpapier kaufen, und schon nach einer knappen Stunde gehe ich mit einer Komplettlösung, bestehend aus Computer, Drucker, Lautsprecher, Scanner, und diverser, nicht benötigter Software nach Hause. Immer mit dem guten Gewissen, es war ein Schnäppchen. Außerdem ist es eine Bewusstseinserweiterung, da ich bis dato nicht wusste, dass sich so ein Ding überhaupt nicht benötige.

 

Wenn mir dies bewusst wird, fällt mir das Wohlwollen gegenüber oben genannter Mittel schon wieder etwas schwieriger. Ich füge mich in mein Schicksal, und beginne, das Komplettsystem zu verkabeln. Schnell stellt sich heraus, dass dieses Komplettsystem gar nicht so komplett ist: Es fehlt das Druckerkabel. Gut, denke ich, das kaufe ich morgen. Etwas anderes ist auch nicht möglich, da das Geschäft bereits geschlossen ist. Der freundliche Händler hat mich vorsorglich mit diverser Literatur versorgt, die ich ob der Fülle von Kürzeln, Querverweisen und der freudigen Danksagung über den Erwerb der Komplettlösung kopfschüttelnd beiseite lege. Hastig beginne ich den Zusammenbau, und bin überrascht: Es funktioniert. Seit meinem weltbewegenden Einkauf ist noch keine Stunde vergangen. Ich bin stolz auf mich.

 

Zügig versuche ich, die neuerworbene Software zu installieren. Bereits nach der siebenten CD - ROM merke ich, dass ich davon nur zwei benötige. Um Speicherplatz zu sparen lösche ich diese Anwendungen von der Festplatte. Kaum ist dies geschehen, geht gar nichts mehr. Die Maus ignoriert mein verzweifeltes Schütteln, herzklopfend taste ich nach dem Resetknopf, und -nachdem ich erwähnten Knopf nicht finden kann- versagt selbst der sogenannte Affengriff. Nichts geht mehr. Der Franzose würde sagen, „Rien ne vas plus“. Jedoch hilft mir das Wissen darum keinen Warmstart weiter. Also bleibt nur noch die Radikallösung: Ausschalten. Nach dem ich dies erfolgreich gemacht habe, starte ich froh Gemutes den Computer neu. Plötzlich bahnen sich eiskalte Schweißtropfen ihren Weg von den Haarwurzeln über die Schläfen. Gleichzeitig läuft mir ein Schauer über den Rücken: Der Bildschirm bleibt schwarz. Hektisches Probieren diverser Tastenkombinationen setzt ein. Erfolglos. Nun nehme ich mir doch noch die vielfältigen Handbücher in dieselbe und stelle fest, dass mir der freundliche Autor eines Handbuches empfiehlt, eine System-Diskette zu erstellen. Vor dem Versagen sämtlicher DOS-Befehle, versteht sich. Leider benötige ich dazu eine Diskette und einen funktionierenden Computer. Beides habe ich nicht. Keinen Gedanke an das Geschäft... Inzwischen ist es weit nach Mitternacht, so dass ich auch nicht mehr meinem allergrößten Bruder erreichen kann und sage mir selbst: Bitte recht freundlich. Ich kann nicht leugnen, dass mich ein Gefühl beschleicht, soeben ein recht teureres Spielzeug kaputt gemacht zu haben. Dies schränkt meinem erholsamen Schlaf deutlich spürbar ein.

 

Nachdem ich einen Rekord im Dauerbettwälzen aufgestellt habe, stehe ich bereits eine knappe Stunde vor Ladenöffnung bei meinem Computerhändler. Mich selbst ermahnend, sage ich immer wieder: Sei bitte recht freundlich! Es ist kalt. Als das Geschäft geöffnet wird, klopft mein Herz für alle deutlich hörbar. Zumindest denke ich das. Mein Händler schaut mich an. Er hat mich noch nie gesehen. Obwohl er mir gerade erst gestern statt des verlangten Briefpapiers dieses verflixte Komplettsystem verkauft hatte. Stotternd bringe ich mein Anliegen vor und bevor er mir antworten kann, klingelt das Telefon. Er entschuldigt sich nicht und lässt mich in meinen Erwartungen, meinem Hoffen und diversen Schweißperlen eine Viertelstunde lang allein. Eine weitere Viertelstunde gesellt sich hinzu. Nun: bitte recht freundlich! Nach diesen qualvollen Minuten, vergisst er prompt, was ich denn wollte und sich zu entschuldigen. Ich gestehe ihm die Panne mit der Systemdiskette, und erwarte ein Donnerwetter. Unmerklich nickt der Händler. Selbstverständlich kann er mir helfen. Selbstverständlich nachdem ich eine Diskette bei ihm gekauft habe. Selbstverständlich stellt sich heraus, dass es solche Disketten nur im Zehnerpack gibt. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es wirklich günstiges Briefpapier war. Aber wenigstens bekomme ich die Diskette und ein paar Hinweise, was ich mit ihr anstellen kann.

 

Zu Hause angekommen, setze ich mich sofort hin um mit klopfendem Herz den Computer zu booten. Zumindest soll ich das entsprechend des Händlers tun. So richtig weiß ich nicht, was das überhaupt ist. Aber: Oh Wunder der Technik! Es klappt nach einem knappen Format: C kann ich erneut beginnen, den Computer zu füttern. Natürlich habe ich das Druckerkabel vergessen. Der Händler kennt mich. Spitzbübisch fragt er, was sich denn noch benötige. Das Druckerkabel ist teurerer als erwartet. Bitte recht freundlich. Wieder daheim, atme ich auf. Es funktioniert. Allerdings habe ich Respekt gelernt. Dieser Respekt blockiert nun viel Speicherplatz, da ich mir seither nicht mehr traue, irgendein Programm zu löschen.

Mein Computer ist aber auch ein unerschöpflicher Quell freundlicher Freude. Ein ausgetüfteltes, professionelles Spracherkennungsprogramm soll vieles erleichtern. Das nahe Weihnachtsfest beschert mir ein solches. Darüber freue ich mich sehr. Immerhin schreibe ich meine Texte immer noch mit dem bewährten Ein-Finger-Adler-Such-System. Und das ist ziemlich nervig. So freue ich mich darauf, dass mein Computer mir endlich aufs Wort hört. Installation. Prima. Funktioniert. Bestens. Ich entspreche den Anweisungen des freundlichen Installationsfensters und gewöhne meinen Computer behutsam an meine Stimme nebs Sprachmelodie. Um den Erfolg zu testen, wie folgsam er mir ist, nehme ich ein mir bekanntes Buch vor. Die Bibel. Ganz vorn schlage ich auf und lese. Es ist der biblische Schöpfungsbericht. Einfach in den Computer eingelesen. Es geht prima, und ich bin auf das Ergebnis gespannt:

 

„Ersterscheinen Pfunds berichteten“ ...ah! Russisch! ist mein erster Gedanke. Bei weiterer, intensiver Lektüre des Ergebnisses stellt sich jedoch weniger eine Vertrautheit, denn ein schöpferisches Chaos ein:

„Im Anfang schuf Kurt Himmel und Erde; die Erde aber was büßt und wirr, Fenstern ist Klage wurde Uhr Furt, und Gottes Geist schwebt über dem Wasser. Kurt sprach: Es werde Licht. Und es wurde nicht. Kurzer Tag, dass das Licht gut war. Dort geschieht das nicht von der Fenstern ist, und Kurt nannte das Licht Tag, und die Feen seines 1908. Es wurde Abend, und es wurde morgen: 1. Tag.
Dann sprach Gold: Ein gewollter entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Dort machte also das gewollte und schied das Wasser unterhalb des Gewerbes vom Wasser oberhalb des Gewerbes. So geschah es, und Gott nannte das Gewollte Himmel. Es wurde Abend und es wurde am Morgen: 2. Tag dann sprach Kurt: Das Wasser unterhalb des Himmels samt lässt sich an einem Ort, damit das trockene sichtbar werde. So geschah es. Das trockene nannte Kurt Lanz und das angesammelte Wasser nannte er mehr. Kurzer, dass es gut war. Dann sprach Kurt: Das Land lass sie junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihren Samen darin. So geschah es. Das Land brach die Jungens Grünen hervor, alle 18 von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihren Samen darin. Kurzer Tag, das gut war. Es wurde Abend, und es wurde morgen: 3. Tag... „

Erst Jahre später, und im Herzen gereift, kaufe ich mir einen neuen, nun gefürchteten Computer. Manchmal darf ich auch das machen, was er mir sagt. Meistens murmelt er aber nur etwas wie: „Diese Anwendung wird aufgrund einer allgemeinen Schutzverletzung geschlossen.“ Aber das macht er freundlich!

 

(c) 1999 Sebastian Grund

Haushalt 2
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